Wir stopfen das Sommerloch mit Klassikern – Tag 5

Willkommen zu unserem heutigen Beitrag der Aktion Wir stopfen das Sommerloch mit Klassikern. Ich habe lange überlegt, was ich euch vorstellen mag. Mein absoluter Favorit war schon vergeben und etwas total bekanntes sollte es aber auch nicht sein. Da fiel mir ein Buch ein, das ich erstmals in der 10. Klasse meiner Schulzeit im Deutschunterricht lesen musste und was mir schon damals ziemlich gut gefallen hat. Glücklicherweise hatte ich meine alte Ausgabe noch, die mittlerweile allerdings auch schon 18/19 Jahre alt ist und auch genau so aussieht!
Es handelt sich um ein soziales Drama von 1945. Gespannt?

Ein Inspektor kommt von John B. Priestley

eininspektorkommt_fotoEin Inspektor kommt von John B. Priestley wurde im Winter 1944/45, kurz vor Ende des 2. Weltkriegs, geschrieben, spielt allerdings kurz vor der Jungfernfahrt der Titanic im April 1912.

John Boynton Priestley wurde 1894 in Bradford geboren. Er studierte Literatur und Geschichte an der Universität in Cambridge und war später freier Schriftsteller, Literaturkritiker und auch Journalist. Im ersten Weltkrieg war er selbst noch als Freiwilliger bei der britischen Armee, während des zweiten Weltkriegs war er ein äußerst populärer Kommentator bei der BBC. 

Er veröffentlichte zahlreiche Essays, Romane, Kurzgeschichten und auch Theaterstücke, die er vorrangig in seinem eigenen Theater inszenierte.

Der Aufbau

Ein Inspektor kommt ist eines seiner bekanntesten Stücke und er schrieb es innerhalb von nur einer Woche. Natürlich wurde es auch im Theater gespielt. Es besteht aus drei Akten und der Aufbau des Stücks folgt den Drei Aristotelischen Einheiten:

  • Einheit der Zeit: Das Stück spielt an einem einzigen Abend, die Dialoge sind praktisch kontinuierlich, es herrscht Zeitdeckung.
  • Einheit des Raums: Das Stück spielt ausschließlich im Esszimmer der Familie Birling.
  • Einheit der Handlung: Es gibt keine Nebenhandlungen.

Die Handlung

Die Familie Birling, bestehend aus Vater, Mutter, Sohn Eric und Tochter Sheila, sitzt beim Dinner zusammen mit Gerald und stößt auf die Verlobung der Tochter mit Gerald an, als auf einmal ein Inspektor auftaucht und vom Tod eines jungen Mädchens berichtet, dass sich selbst das Leben nahm.
Zunächst scheint unklar, was der Inspektor bei den Birlings will, denn der Fall scheint klar. Nach und nach zeigt der den Familienmitgliedern auf, dass sich das Mädchen nicht aus total freien Stücken in den Tod gestürzt hat, sondern dass es dazu getrieben wurde und jede einzelne der anwesenden Personen hat einen kleinen Teil dazu beigetragen.
Alle sind entsetzt bis sich heraus stellt, dass es besagten Inspektor tatsächlich gar nicht gibt und an diesem Tag auch keine junge Frau gestorben ist. Dennoch können sich alle an die Taten erinnern, die sie begingen und so eine junge Frau ins Unglück stürzten. Alles scheint sich zum guten zu wenden bis das Telefon schellt und die Polizei mitteilt, dass eine junge Frau Selbstmord begangen hätte und sogleich in Inspektor kommen würde. Mit dieser Mitteilung endet das Stück.

Die Thematik

Priestley verarbeitet in diesem Stück vor allem soziale und sozialkritische Themen, lediglich das Ende hat etwas Surreales.

  • Klassengesellschaft
    – Vor dem ersten Weltkrieg waren die Unterschiede noch größer als nach dem zweiten Weltkrieg, als das Stück uraufgeführt wurde, dennoch gibt es auch heute noch Parallelen zu unserer heutigen Gesellschaft, was die Aktualität dieses Stücks nicht mindert.
  • Stellung der Arbeiter
    – Zur Zeit der Geschichte konnten die Arbeitgeber mit ihren Angestellten noch umspringen wie sie wollten, vor allem Frauen hatten darunter oft zu leiden. Heutzutage gibt es auch für die Arbeitnehmer viele Rechte, die auch durchgesetzt werden. 
  • Generationsunterschiede
    Diese Differenzen hat es schon immer gegeben und wird es vermutlich auch immer geben. Im Stück äußert sich das vor allem auch dadurch, dass die Eltern von Sheila und Eric ihre Schuld nicht einsehen können, während ihre Kinder ihre Taten sehr bedauern.
  • (Soziale) Verantwortung / Schuld
    Das für mich größte Thema ist die Frage der Schuld oder auch Verantwortung. Keiner der Schuldigen hat sich wirklich strafbar gemacht, aber sie alle haben moralisch unverantwortlich gehandelt und somit Schuld auf sich geladen. Da kommt das

Wer hat Schuld?

Das ist die zentrale Frage des Stückes, was oberflächlich betrachtet schon als Krimi bezeichnet werden könnte.

Zunächst einmal halten sich alle für unschuldig, denn niemand glaubt irgendwie verantwortlich für etwas oder jemand anderen zu sein, sondern lediglich für sich selbst.

[…] Wenn jeder für jeden verantwortlich wäre, mit dem er mal zu tun gehabt hat – das wäre doch sehr peinlich, nicht? […]
(S. 17)

Und schon im ersten Akt lässt der Inspektor durchscheinen, dass es nicht immer so einfach ist Verantwortung an der Haustür abzugeben und dass es nicht unbedingt schlimmer ist kriminell zu sein als moralisch verwerflich zu handeln.

G e r a l d. Schließlich sind wir doch ehrliche Bürger und keine Kriminellen.

I n s p e k t o r. Manchmal ist der Unterschied nicht so gewaltig wie sie denken. Manchmal weiß man nicht wo die Grenze ist. Ich wüßte nicht, wo man sie ziehen sollte.
(S. 25)

Das Ende ist schon beinahe eine flammende – wenn auch sehr kurze – Rede dafür mehr soziale Verantwortung zu übernehmen und sich selbst nicht nur als Individuum zu sehen sondern als Teil eines ganzen, nämlich der Gesellschaft in der man lebt und die darin lebenden Mitmenschen.

[…] Aber es gibt Millionen von Eva Smiths und John Smiths die noch leben mit ihren Hoffnungen und Ängsten, mit ihren Leiden und ihren Glücksmöglichkeiten, die alle mit unserem Leben verbunden sind – mit dem, was wir denken und sagen und tun – Wir leben nicht in einem luftleeren Raum. Wir sind Glieder eines Organismus. Wir sind füreinander verantwortlich. Und ich sage Ihnen, die Zeit wird kommen, in der die Menschen das lernen werden, es unter Feuer und Blut und Tränen lernen werden. – Gute Nacht.
(S. 59)

Das Buch

eininspektorkommt

Inhalt:
Priestleys immer wieder faszinierendes Drama von 1946 über das »unbewußte« Schuldigwerden einer Gruppe von Menschen am Selbstmord eines Mädchens. Ein kriminalistisches Gedankenspiel, das am Ende in die Realität mündet. Ein moderner Theaterklassiker.

Reclam Verlag | Heftausgabe | 78 Seiten | 3,80 Euro | Originaltitel: An Inspector calls | ISBN: 978-3150078839

 

Ich hoffe, ich konnte euch ein wenig neugierig machen auf dieses doch sehr kurzweilige Stück Literatur und Theater. Übrigens wurde dieses Stück auch insgesamt drei mal verfilmt. Wer Lust hat, der kann es sich auch auf YouTube ansehen:

Gewinnspiel

Wer es allerdings lieber lesen mag – und zwar auf Deutsch – der hat nun die Gelegenheit, denn ich verlose dieses kleine Büchlein (natürlich neu!) ein mal unter allen, die mir bis einschließlich zum 03. September 2016 die folgende Frage in den Kommentaren beantworten:

Mögt ihr Dramen in Schriftform? Oder sehr ihr sie euch lieber im Theater an? Habt ihr vielleicht schon Dramen gelesen/gesehen?

Viel Glück und viel Erfolg!

 

Morgen geht es weiter bei Tanja von lesen und mehr, die euch ein Buch vorstellen wird, dessen Titel wohl einfach jeder kennt!

 

Zur Übersicht über alle Stationen der Aktion Wir stopfen das Sommerlich mit Klassikern:

>>Klick hier!<<

2 thoughts on “Wir stopfen das Sommerloch mit Klassikern – Tag 5

  1. Huhu!

    Ich lese seit ein paar Monaten immer mal wieder einen Klassiker für meine Rubrik „Die literarische Schatzkiste“. Ich glaube, ich muss „Ein Inspektor kommt“ auf meine Liste setzen! :-) Mich hast du auf jeden Fall neugierig gemacht.

    Dramen schaue ich mir sehr gerne im Theater an, lese sie aber auch als Buch – allerdings zugegebenermaßen sehr selten, obwohl ich das eigentlich auch mag! In meiner Zeit als Buchbloggerin habe ich tatsächlich kein Drama mehr gelesen, es wäre also langsam wieder Zeit. ;-)

    LG,
    Mikka

  2. Huhu! :)
    Ich bin heute auf eure Aktion gestoßen und finde sie einfach klasse (oder auch klassisch! ;)).
    Das Drama „Ein Inspektor kommt“ klingt genial. Mit dieser plötzlichen Wendung gegen Ende, dass alles noch gar nicht passiert ist, macht mich sehr neugierig auf das Drama.

    In der Schule habe ich immer sehr viele Dramen gelesen, da wir dort in die Richtung sehr engagierte Lehrer hatten. Auch im Englisch Unterricht beschäftigten wir uns in der Oberstufe ein wenig mit dem Thema.
    Mit meinem Deutsch LK waren wir in der Aufführung von „Woyzeck“. Die Inszenierung, die wir gesehen haben, war einfach genial. Ich hoffe ich komme demnächst mal wieder ins Theater. :)

    Liebe Grüße, Annika

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