Und es schmilzt – Lize Spit

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S. Fischer Verlag | Gebundene Ausgabe | ca. 520 Seiten | 22,00 Euro | August 2017 | Originaltitel: Het smelt |Übersetzer: Helga van Beuningen | ISBN: 978-3103972825

Inhalt

(lt. amazon.de):

Ein Buch, das alles gibt und alles verlangt.
Mit geschlossenen Augen hätte Eva damals den Weg zu Pims Bauernhof radeln können. Sie könnte es heute noch, obwohl sie viele Jahre nicht in Bovenmeer gewesen ist. Hier wurde sie zwischen Rapsfeldern und Pferdekoppeln erwachsen. Hier liegt auch die Wurzel all ihrer aufgestauten Traurigkeit.
Dreizehn Jahre nach dem Sommer, an den sie nie wieder zu denken wagte, kehrt Eva zurück in ihr Dorf – mit einem großen Eisblock im Kofferraum.

Die junge Bestsellerautorin Lize Spit wagt sich mit ihrem ersten Roman »Und es schmilzt« an die Grenzen des Sagbaren.

Preis des niederländischen Buchhandels für den besten Roman des Jahres.

Das radikalste Update zu »Der Fänger im Roggen«!

Gewähltes Zitat

Dass die Sommermonate mir später am intensivsten im Gedächtnis bleiben würden, wusste ich schon, bevor sie vorbei waren. Es fiel mehr Sonnenlicht auf unsere Bewegungen, Erinnerungen daran konnten sich schärfer entwickeln.

(S. 163)

Meine Meinung

Seit 13 Jahren war Eva nicht mehr am Ort ihrer Kindheit, wo sie in einem kleinen, eigentlich recht idyllischen kleinen Örtchen aufgewachsen ist, wo immer noch ihre ehemals besten Freunde Pim und Laurens wohnen, die sie aber ebenfalls schon seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Ob sie ihre Eltern treffen will, das weiß sie noch nicht. Und außerdem ist da auch noch der riesige Eisblock in ihrem Auto, der so langsam vor sich hin schmilzt, während Eva unablässig versucht ihre Schwester zu erreichen und ihre Vergangenheit, den einen Sommer vor 13 Jahren, Revue passieren lässt …

Und es schmilzt ist ein Roman, der mir bereits auf der Buchmesse in diesem Jahr ans Herz gelegt wurde. Es hörte sich tatsächlich interessant an und daraufhin recherchierte ich. Schnell musste ich feststellen, dass dieses Buch im original bereits mehrere Preise abgeräumt hat und die Autorin Lize Spit mit ihrem Debüt als Ausnahmetalent angesehen wird. Meine Neugierde war also vollends geweckt, und das obwohl der Klappentext so gestaltet ist, dass man eigentlich kaum auf den Inhalt schließen kann. Aber genau diese Mischung machte dieses Buch zum am sehnlichsten erwarteten in diesem Jahr für mich.

Hier angekommen nahm ich es direkt zur Hand und begann zu lesen. Von Anfang an ist die Atmosphäre eine recht beklemmende. Obwohl es die Erlebnisse einer Kindheit erzählt und einer engen Freundschaft, ist hier kein Platz für Nostalgie oder für Wohlbefinden. Alles was die Protagonistin Eva erlebte ist von düsteren Schatten überzogen und genau so kommt es auch beim Leser rüber.

Das Buch erzählt mehrere Ebenen im Wechsel. Zunächst ist da – mit Uhrzeitangaben betitelt – das Jetzt. Wir erfahren hautnah was Eva gerade erlebt, welche Gedanken ihr durch den Kopf schwirren, wie sie die letzten Jahre erlebt hat. Dann kommt mit einer Datumsangabe versehen die Vergangenheit dran. Hier werden chronologisch die Ereignisse jenes schicksalhaften Sommers erzählt, der für Eva alles verändert hat. Und dann gibt es immer noch Episoden aus der Vergangenheit mit diversen Überschriften versehen, die weitreichende und einschneidende Erlebnisse aus Evas Kindheit schildern.

Obwohl die Geschichte sich in der Gegenwart eigentlich nur an einem Tag abspielt, erhalten wir ein umfassendes Bild von Evas Leben und ihrer Vergangenheit. Schon von Beginn an war klar, dass am Ende jenes Sommers etwas passiert sein muss, das Eva völlig aus der Bahn geworfen hat. Was das jedoch für ein Erlebnis war ist das spannende, wobei die Spannung jetzt nicht unerträglich ist, sondern der Weg dahin einfach nur fassungslos macht. Egal worum es nämlich geht, die Ereignisse die Lize Spit hier schildert sich einfach nur erschreckend und unfassbar grausam, vor allem für ein Kind. Dabei wird das ganze Übel lange Zeit gar nicht wirklich ausgesprochen. Die unterschwellige Grausamkeit, die Vernachlässigung, kommen zunächst eher durch die naiven Augen eines Kindes an den Leser heran, der nur langsam ahnt, welches Ausmaß dieser Schrecken tatsächlich hat.

Ich habe während des Lesens immer wieder daran gedacht, dass das Buch irgendwie wie eine verkrustete Wunde ist: man weiß, wenn man dran knibbelt, dann tut es weh und blutet, aber dennoch kann man nicht damit aufhören. So fühlte ich mich teils bei der Lektüre von „Und es schmilzt“. Und ich konnte nicht aufhören.

Das Ende war, obwohl ich ähnliches erwartet hatte, dann doch ganz anders als gedacht. Erschreckend und zerstörend!

Lize Spit spiegelt in dieser Geschichte wieder, wie es in unserer Gesellschaft heute viel zu häufig abläuft. Deswegen ist dieses Buch wohl auch so glaubwürdig, trotz seiner Kälte und Brutalität viel zu realistisch. Täuschungen und Egoismus bestimmen das Leben. Es gibt viel zu wenig Menschen, die sich noch um seine Nachbarn scheren.

Ich kann kaum glauben, dass dieses das erste Buch der Autorin Lize Spit sein soll und weiß auch wirklich nicht, wie sie dieses noch toppen könnte. Ihr Schreibstil ist so intensiv, so eindrücklich, dass einem selbst beim Lesen mulmig wird. Man weiß einfach, dass es weh tun wird, aber man liest dennoch weiter, es geht einfach nicht anders.
Literarisch sicherlich auf hohem Niveau, inhaltlich nichts für schwache, sanfte Gemüter.

Fazit

Und es schmilzt von Lize Spit ist wie eine verkrustete Wunde: man weiß, wenn man dran knibbelt, dann tut es weh und blutet, aber dennoch kann man nicht damit aufhören. So fühlte ich mich teils bei der Lektüre von „Und es schmilzt“. Und ich konnte nicht aufhören…

Meine Wertung

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